Ein kleiner Bach durchströmt eine Lichtung im Zirbenwald. Über die Lichtung verstreut ragen ein paar niedrige Steinmauern aus dem Boden. Auf dem ersten Blick könnte es sich um eine verfallene Alm handeln. Doch hier ist es auch um etwas anderes gegangen. Wir sind hier bei der Lindnerschen Branntweinhütte.

Vor 300 Jahren flackert in einer der Hütten unter einem Kessel ein Feuer. Im Kessel kochen vergorene Enzianwurzeln. Oben sammelt sich das „Rauchwasser“, nach einem zweiten Durchgang wird es zu Schnaps. Dass man heute nur mehr Reste der Grundmauern findet, verdankt sich nicht nur dem natürlichen Verfall. Hier wurde nachgeholfen. Zuerst wurde die Brennerei von einem zugewanderten Tuxer betrieben, dessen Konzession aber erlosch mit seinem Tod. Seine Kinder führten dennoch den Betrieb weiter. Wiederholt ging die Obrigkeit wenig zimperlich gegen die Brennerei vor und die Hütten wurden niedergebrannt. Zuletzt 1749, als die Innsbrucker Hofkammer die Zerstörung anordnete.

Illegal war das Brennen hier am sogennanten „Branntweinkeartl“ allemal, ob es auch moralisch verwerflich war, ist eine andere Frage. Hier ging es nicht um Reichtum, sondern ums Überleben von Menschen, die der Unterschicht angehörten. Im Zillertal gab es damals das Sprichwort „arm wie ein Wurzelgraber“. Verboten war das Brennen nicht überall und unbedingt. Die Obrigkeit konnte das Brennen genehmigen und nicht selten dürfte das Brennen geduldet worden sein.

Viele werden beim Stichwort Enzian an die bekannten tiefblauen Blüten des Stengellosen Enzians oder auch des Frühlingsenzians denken. Für die Brenner hatten diese Arten aber keine Bedeutung. Im Voldertal dürften vor allem die Wurzeln des Punktierten Enzians gebrannt worden sein. Ebenfalls zum Brennen ausgegraben wurden in anderen Gegenden die Wurzeln des Gelben Enzians, der aber im Kalkgebirge beheimatet ist, sowie des Purpurenzians, und des Panonnischen Enzians. In Tirol dürften die Enzianbestände unter den Wurzelgrabern ziemlich gelitten haben.

Wie Georg Mutschlechner und Otto Kostenzer schreiben, soll die Ausrottung des Enzians im Voldertal jedoch auf ein Experiment der Salinendirektion in Hall um 1850 zurückgehen: „Diese ließ für 1000 Gulden Enzianwurzeln sammeln, um sie gerieben dem Viehsalz beizumengen. Das billigere Viehsalz sollte so für den menschlichen Genuß vergällt werden. Man hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn das Vieh lehnte das Salz ab und die Salinendirektion sah sich genötigt, das verdorbene Salz in den Inn zu schütten, wodurch auch noch die Fische getötet wurden.“

Auch wenn sich das Branntweinkeartl gut im hinteren Voldertal versteckt, zu erreichen ist es zwar weglos aber nicht all zu schwer. Die Lichtung liegt auf 1905 Metern Seehöhe östlich oberhalb vom Klausboden. Wo die Straße von der Vorbergalm herauf in einem Linksbogen den Klausboden erreicht und flacher wird, steigt man links durch den mäßig steilen Wald etwa zehn bis 15 Minuten lang hinauf, ehe man die etwa 40 Mal 40 Meter große Lichtung erreicht.
Quellen:
Georg Mutschlechner, Otto Kostenzer (1975): Beiträge zur Technologie und Geschichte der Bereitung des Enzianschnapses in Tirol. – Veröffentlichungen des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum – 55: 61 – 112.
Grabherr Walter, Beiträge zur Waldgeschichte des Voldertales bei Hall in Tirol. In: Tiroler Heimatblätter, Jg. 40, Innsbruck 1965, 4–9
Burkhard Weishäupl, Hochalpine Wüstungen im Voldertal in den Tuxer Alpen, Forschungsberichte der ANISA für das Internet. 2016
2 Responses to Illegale Machenschaften
Wieder ein sehr interessanter Bericht Hermann, danke für die Wissenserweiterung über das Voldertal. Wer selber nach den Wurzeln gegraben hat, weiß um die Mühen diese dem harten Alpenboden zu entrauben und den Wert der Medizin daraus.
Gefällt mirGefällt mir
[…] Holz ins Feld geführt, sondern auch Angst vor „liederlichem Gesindel“ oder die Branntweinhütte mit ihren „Sünd und Lastern“ im Schwarzbrunn mussten herhalten. Dabei ist zu sagen, […]
Gefällt mirGefällt mir