Das hintere Voldertal könnte ein beliebtes Skitouren- und Wandergebiet sein, wenn es nicht so im Abseits läge. Vor 90 Jahren wollte die Berliner Alpenvereinssektion Charlottenburg das mit dem Bau einer Hütte auf den Melkböden ändern. Die Pläne waren weit gediehen, letztlich scheiterte ein Bau.
Bei einer Wanderung im Voldertal begegnet man noch vielfach mehr oder weniger alten Wegweisern der Sektion Charlottenburg. Die Sektion des „Deutschen und Österreichischen Alpenvereins“ wurde 1910 von ehemaligen Mitgliedern der Berliner Sektion Hohenzollern mit dem Ziel gegründet, Besitzer einer Hütte zu sein. 1925 übernahm die Sektion vom Turnverein Hall die „Riegenhütte“ am Tulfer Berg, die heutige Tulferhütte. Zugleich übernahm sie von der Sektion Hall des Alpenvereins das Voldertal als ihr Arbeitsgebiet.

Mit der Tulferhütte waren die Berliner aber nicht zufrieden. Ihr Ziel war der Bau einer hochalpin gelegenen Hütte. Mit der Hilfe des damaligen Hüttenwartes der Tulferhütte Vinzenz Tollinger gelang es, auf den Melkböden im hinteren Voldertal etwa 200 Höhenmeter oberhalb der Steinkasern-Alm einen Bauplatz zu finden.

Dazu erwarb die Sektion im Herbst 1927 im Bereich der Melkböden ein 3.528 Quadratmeter großes Grundstück, das auch heute noch unter der Nummer 711/2 im Grundstückskataster verzeichnet ist (in der Suchmaske bei der Gemeinde Volders eingeben und beim Grundstück die Nummer 711/2). Die Hütte sollte an der vorderen Kante der Melkböden liegen, mit Blick durch das Voldertal hinaus über das Inntal hinweg zum Karwendel. Damit die Agrargemeinschaft ihre Zustimmung zum Grundstückskauf gab, musste die Sektion einen Steig zu einem eineinhalb Meter breiten Karrenweg von der Vorberg- bis zur Steinkasernalm ausbauen lassen. Wie Gerd Schröter vom AlpinClub Berlin schreibt, dürfte dieser Weg nicht ganz dem Verlauf der heutigen Straße entsprechen, sondern teilweise auf der anderen Bachseite verlaufen sein.

Auch wenn das Grundstück noch nicht einmal gekauft war, kündigte der Tiroler Anzeiger schon am 11. August 1927 den Bau eines „großen Alpenvereinshauses“ im hintersten Voldertal für 1928 an. Die Hütte sollte dem Zeitungsbericht nach ganzjährig bewirtschaftet sein und Platz für 70 bis 80 Touristen bieten. Die Zeitung dürfte etwas dick aufgetragen haben, denn die realen Pläne waren für eine Hütte ausgelegt, die „48 Passanten“ beherbergen kann.

Die 18 Mal 12 Meter große Hütte sollte auch einen Stall für zwei Pferde und sechs Ziegen beherbergen. Aus dem Jahr 1931 gibt es sogar einen Plan von Siegfried Mazagg für die Hütte. Der 1902 im Südtiroler Pustertal geborene Mazagg war ein Shootingstar der Architektur – besonder im Bereich des Tourismus. Ihm war aber nur ein kurzes Leben vergönnt, schon mit 30 Jahren kam er in Innsbruck bei einem Verkehrsunfall ums Leben.

Unter anderem die schlechte wirtschaftliche Lage und der Abgang von Mitgliedern wegen der geplanten Hüttenumlage vereitelten immer wieder den Baubeginn. Die Pläne für die Hütte wurden laufend abgespeckt und auch ein alternatives Projekt am Tulfeinjöchl beziehungsweise im Bereich der Tulfeinalm angedacht.

So gibt es einen Entwurf von Siegfried Mazagg auch für eine Skihütte im Bereich der Tulfeinalm. Im Dezember 1932 wurde der Hüttenbau schließlich auf unbestimmte Zeit verschoben.

Auch von Seiten der Sektion Hall des Alpenvereins gab es damals Überlegungen zum Bau einer Hütte im hinteren Voldertal oder im Bereich des Tulfeinjöchls, die aber nicht umgesetzt wurden. 1939 plante der AV Hall im Voldertal als Ersatz für die enteignete Lizumerhütte eine „Steinkasern-Hütte“ zu bauen, was ebenfalls an den Kosten scheiterte.

1980 verkaufte die Sektion Charlottenburg auch die Tulferhütte, das Voldertal wurde wieder zum Arbeitsgebiet der Sektion Hall des Österreichischen Alpenvereins. Das Grunstück für den Bau der Charlottenburger Hütte auf den Melkböden ist aber nach wie vor im Besitz der ehemaligen Berliner DAV-Sektion Charlottenburg, die seit 1999 „AlpinClub Berlin“ heißt.
Quellen:
Gerd Schröter, Projekt Charlottenburger Hütte, aus der Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des AlpinClub Berlin, 2010
95 Jahre Lizumerhütte, Glungezer & Geier, Sonderausgabe 07/Juni 07, Seite 10.
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